Geschichte der Gemeinde Neftenbach

Nicht nur gaben die Freiherren von Wart der Gemeinde Neftenbach die Vorlage für ihr Wappen, sondern auch für eine blutrünstige Geschichte des Mittelalters.

Ritterspiele in Neftenbach
Ein Andenken an die Vergangenheit: Ritterspiele in Neftenbach


 

Römerzeit

Am sanften Hügel der Steinmöri stand ums Jahr 80 n.Chr. ein ausgebautes römisches Landgut. Im oberen Teil der Anlage erhob sich die Villa des Gutsherrn, ein Haupttrakt mit zwei vorgezogenen Flügeln mit der komfortablen Badeanlage. Vom urbanen Teil durch Mauer und Tor abgetrennt zog sich der rustikale Teil gegen den Bach hinunter. An die Umfassungsmauer angelehnt reihten sich die schlichten Wohnungen der Landarbeiter und die Oekonomiegebäude.

Die Agrarfläche, die die römischen Landleute bewirtschafteten, erstreckte sich nicht nur über die 20 bis 30 Hektaren eines heutigen Bauernguts, sondern dehnte sich auf 2000 Hektaren aus, was der landwirtschaftlich genutzten Fläche eines ganzen Dorfes entspricht. Auf den Feldern wurden Gerste, Hirse, Hafer, Weizen und Bohnen kultiviert, während man sich für die Fleischproduktion vorwiegend der Rinderzucht widmete.

Die Ackerbaufläche vermochte sich der sich ausdehnenden Waldgebiete kaum zu erwehren. Diese waren die Jagdgründe für den Gutsherrn und seine Jagdgesellen, in denen sie Auerochsen, Bären und Wildschweine zur Strecke brachten. Ihre grosse Vorliebe aber galt der Hatz auf den Hirsch; dessen Fleisch war für den Export bestimmt. In den stehenden Gewässern des Talgrundes stellte man dem Biber und seinem Pelz nach.

Um die Mitte des 3. Jahrhunderts brachen unstabile Zeiten an. Die Alamannen brachen ein und politische Umbrüche führten dazu, dass die Ansiedlung teilweise abbrannte und in der Folge verlassen wurde. Kurz nach 265 wurde unter einem Bodenbrett ein Münzschatz versteckt. In einem bronzenen Weingefäss lagen in Rollen aufgereiht 6 kg Silbermünzen. Vor der Überbauung dieses Gebietes wurde in den Jahren 1986–1990 eine Notgrabung durchgeführt und dabei dieses Gefäss mit samt Inhalt fast unbeschädigt entdeckt.

12. - 14. Jahrhundert

Um 1200 traten die Freiherren von Wart die Herrschaft Neftenbachs an. Dieses Adelsgeschlecht war schon früher, anno 1100, im Raum Kaiserstuhl aufgetaucht. 

Schon in den Jahren vor 727 hatte der Glaubensbote Pirminius in der Gegend Spuren seiner Wirksamkeit hinterlassen. Als er darauf das Kloster Reichenau im Untersee gründete, schenkte ihm der Alamannenherzog Uatilo die fruchtbare Landschaft beidseits der Töss.

Die Freiherren von Wart schuldeten dem Kloster für dieses Herrenlehen Treue und Gefolgschaft. Dafür fiel ihnen die Siedlung Neftenbach mit Kirche, Fronhöfen, dem Kehlhof, der Mühle und landwirtschaftlichen Gütern zu. Für ihre Lehen verpflichteten sich die Bauern zu Grundzinsen in natura.

Im Jahre 1209 wirkte in einer Rechtssache Conrad, plebano de Neftimbach, als Zeuge mit. Er war Leutpriester an der schon seit längerer Zeit bestehenden Kirche. Mit dieser urkundlichen Notiz taucht der Ortsname Neftenbach erstmals in der Geschichte auf. Er geht wohl auf eine althochdeutsche Ortsangabe «ze demo näftintin pach» mit der Bedeutung «bei dem schläfrig dahinfliessenden Bach» zurück, die sich dann zu Neftinbach verkürzt und verfestigt hatte.

Glanz und Elend spiegelt sich in den beiden bekanntesten Freiherren von Wart, den Brüdern Jakob und Rudolf. Der jüngere, Rudolf, beteiligte sich am Königsmord in Windisch im Jahr 1308 und büsste dafür durch den Tod auf dem Rad. Jakob war ein gefragter Friedensstifter, vor allem aber ein gefeierter Poet. Die Lieder des Minnesängers wurden in die manessische Handschrift aufgenommen.

16. - 17. Jahrhundert

Zu Anfang des 16. Jahrhunderts teilten sich Frischhans von Breitenlandenberg und die Klarissen des Klosters Paradies am Rhein die Herrschaft Neftenbach. Nach dem Tod des Ritters Frischhans fiel dessen Anteil an Wolf von Breitenlandenberg. Er nahm Wohnsitz im Herrenhaus; damit liess sich erstmals in der Geschichte ein Gerichtsherr in Neftenbach nieder.

Doch schon 1524 machte ihm die Unrast der Reformation zu schaffen. In Basel, wo er damals festgehalten wurde, erreichte ihn die Nachricht seines Schaffners, dass seine Neftenbacher ihrem Unmut durch aufwieglerische Reden Luft verschafften und die Zehntenabgabe verweigerten. In seiner Bedrängnis bat er die Zürcher Obrigkeit, dahin zu wirken, dass er «by dem Sinen bliben möge». Als Altgläubiger hatte er aber bald einmal den steifen Wind der Reformation satt; er verkaufte 1540 Herrschaft und Herrenhaus an Zürich.

Das Herrenhaus samt Rebberg (heute Stadtreben) und Trotte befand sich um 1600 im Besitz des Zürcher Bürgermeisters Leonhard Holzhalb. Wie ein Grossist belieferte er die Zürcher Verwaltung und die Zunftstuben mit vorzüglichem Neftenbacher. Er förderte eine weitgespannte Bündnispolitik und offerierte den Ambassadoren Wein aus eigener Kelterung. Unversehens kam dadurch der Neftenbacher zu grossem Ansehen.

Zwar war der Weinbau schon seit der Zeit des Klosters Reichenau in Neftenbach heimisch; aber erst der Zürcher Bürgermeister lancierte den Neftenbacher und machte ihn berühmt. Während Holzhalbs Amtszeit, im Jahre 1611, kaufte Zürich vom Kloster Paradies auch die andere Hälfte der Herrschaft Neftenbach.

18. Jahrhundert 

Ausserordentliche Erreignisse spielten sich in der Helvetik in Neftenbach ab. Zweifellos begrüsste der geplagte Landmann die Ideen der gleichen Rechte für alle Bürger, die Freiheiten und die Abschaffung der Grundlasten. Aber diese Ideen kamen in der Gestalt von französischen Truppen von Einquartierungen, Requisitionen, Beraubungen und Gewalt daher. Deshalb hatten die Altgesinnten unter der Führung des Gemeindepräsidenten und Löwenwirts Tobler leichtes Spiel, die Einwohner gegen die helvetischen Behörden aufzuwiegeln. Der kleinste Funke musste zu offenen Konflikt und Unheil führen. Die kriegerischen Ereignisse im Telegrammstil:

13. Mai 1798
Einmarsch der Franzosen in Neftenbach. Heinrich Keller von Ohringen macht sich als helvetischer Agent äusserst unbeliebt. Errichtung des Freiheitsbaumes.

22. Mai 1799
Frühmorgens: Kurzfristig angerittene kaiserliche Husaren zwingen den Agenten und seinen Sekretär, den Freiheitsbaum auf der Stelle zu fällen und zu zersägen. Gegen Abend: Capitaine und Compagnie der Franzosen fordern unverzüglich Pferde. Tumult im Wirtshaus. Generalmajor Ziegler lässt die Neftenbacher nicht im Stich. Besänftigungsversuche, Verbarrikadieren der Dorfeingänge.

23. Mai 1799
Nachmittags: Vengeance terrible: Übermacht der Franzosen erzwingt Eingang ins Dorf und jagt die Rebellen von Gasse zu Gasse. Fazit: 7 Tote, 9 Gefangene, während drei Tagen Plünderung des Dorfes, Brandschatzung des Herrenhauses und Todesurteil für den flüchtigen Ziegler.

27. Mai 1799
Angriff einer österreichischen Batterie: Kugel im Chor der Kirche.

28./29 Mai 1799
Durch Unachtsamkeit der Österreicher wurden nachts vier Häuser bei der Kirche in Brand gesteckt.

19. - 20. Jahrhundert

Neftenbach, während Jahrhunderten eine ländliche, bäuerliche Ansiedlung, schaffte schon früh den Anschluss an die Industrie. Dazu waren günstige Voraussetzungen vorhanden: Risikofreudige Unternehmer, Angebote für die Ausnützung der Wasserkraft und die Möglichkeit der Ausbeutung der «Bodenschätze» der Tössallmend, nämlich Sand, Ton und Kies.

Jakob Ziegler-Pellis (1775–1863) erwarb das Wasserrecht des unteren Näfbaches und baute 1815 eine Natur- und Chlorbleiche. Schon 1820 gliederte er der Anlage eine Türkischrot-Färberei an. Neben dem Wohnhaus gehörten das Bleichergebäude mit Wasserrad, eine Aufhänke oder Tröcknerhaus, ein Brennhaus und ein Ofengebäude dazu. Schon in der zweiten Jahrhunderthälfte wuchs die Fabrikanlage zu 25 Firsten und mehreren Hochkaminen an. Verheerende Brände suchten die Werkstätte in den Jahren 1822 und 1868 heim.

Rotgiesser Konrad Bodmer aus dem Radhof († 1867) kaufte 1831 ein Haus in der Widen. Er richtete eine Glockengiesserei ein und fabrizierte Feuerspritzen. Als Antriebskraft nutzte er das Wasser der Töss, das er durch einen 400 Meter langen Kanal zu seinem Anwesen leitete. Seine Söhne Konrad und Gottfried setzten sein Lebenswerk fort. Sie gossen Kirchengeläute für Neftenbach (1872) und viele umliegende Orte.

Johann Jakob Keller von Truttikon errichtete 1874-1875 südöstlich der Rotfarb auf freiem Feld eine Ziegelei. Seine Tonwarenfabrikation erfolgte mit Hilfe der Dampfmaschine. Er beschäftigte 30 bis 40 Saisonniers, die in Baracken untergebracht waren. Nach dem Brand des Ofengebäudes 1914 verlegte er die Fabrikation nach Pfungen. In der Tössallmend wurden noch für einige Zeit Handsteine hergestellt. Heute zeugt nur noch der Ziegeleiweiher von der ehemaligen Lehmausbeutung.

Das Wappen der Freiherren von Wart, ein schräg gevierter Schild in Silber und Blau, wurde 1921 als Gemeindewappen gewählt.